Kompetenzen in der KI-basierten Arbeitswelt

Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik - und damit auch den Arbeitsalltag vieler Beschäftigter. Sie werden künftig von Routineaufgaben entlastet oder durch Assistenzfunktionen unterstützt. Dies kann eine reichhaltige Arbeit ermöglichen, stellt aber auch Anforderungen an die Beschäftigten und die Unternehmen.

Anforderungen an Beschäftigte und Unternehmen

Beschäftigte und Unternehmen müssen im KI-Zeitalter geeignete Kompetenzen aufbauen – sowohl zur Entwicklung bzw. Programmierung von KI-Systemen als auch im Umgang mit KI-basierten Werkzeugen oder Assistenzsystemen.

Welche Kompetenzen werden für den Umgang mit KI benötigt?

Dies ergibt sich aus den konkreten Rollen und Aufgaben der Beschäftigten im Unternehmen. Gebraucht werden zum einen ausgewiesene KI-Expertinnen und -Experten: Werden KI-Systeme inhouse programmiert, müssen Kompetenzen in Programmiersprachen oder Data Science aufgebaut werden. Daneben werden viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter KI nur als Werkzeug einsetzen. Sie benötigen Grundwissen zu Funktionsweise und zum Potenzial der KI-Systeme, um deren Empfehlungen bewerten können.

Welche Kompetenzen sollten weiterentwickelt und aufgebaut werden?

Diese Frage sollte eingebunden sein in allgemeinere, strategische Überlegungen: Wohin soll sich das Unternehmen entwickeln? Welche Rolle soll KI für einzelne Geschäftsmodelle, Abteilungen und Einsatzfelder oder konkrete Aufgaben und Rollen spielen? Unternehmen müssen als Antwort darauf Kompetenzfelder strategisch aufbauen. Gezielte Weiterbildung der Beschäftigten und Rekrutierung externer Fachkräfte können wichtige Elemente dabei sein.

Kompetenzen sollten nahe an der betrieblichen Praxis aufgebaut werden. Deshalb empfiehlt es sich, Änderungen an konkrete Rollen und Aufgaben kontextbezogen zu ermitteln. Zu klären ist dabei, welchen Beitrag KI zur Lösung der jeweiligen Aufgabe leistet und welche Rolle der Mensch dabei übernimmt. Anhand dieser Rolle lassen sich Kompetenzen aufgabenorientiert in einem systematischen Prozess weiterentwickeln. Das gelingt in sechs Schritten:

  • 1. Rollen und Verantwortungen definieren
  • Festlegung der fachlichen Verantwortlichkeit entlang der (Kern-)Aufgaben eines Bereichs
  • 2.Aufgaben eingrenzen
  • Definition (fach)spezifischer (Job-)Rollen
  • Auflistung der (Detail-)Aufgaben jeder (Job-)Rolle
  • 3.Kompetenzen
  • Definition und Zuordnung der zur erfolgreichen Erfüllung der Aufgaben notwendigen Kompetenzen mit Fokus auf fachlichen Fähigkeiten
  • 4.Kompetenzprofile
  • Definition eines Kompetenzprofils zu jeder (Job-)Rolle
  • Festlegung der Kompetenzausprägung des Zielprofils
  • 5.Kompetenz-Assessment
  • Zuordnung der Beschäftigten zu den korrespondierenden Profilen
  • Individuelles Assessment zum Zielprofil
  • 6.Weiterbildungspläne
  • Ableitung geeigneter Weiterbildungsmaßnahmen zum gezielten Kompetenzaufbau
  • Festlegung von jobrollenfeinen Lehrplänen

Überblick: Kompetenzen zu Künstlicher Intelligenz

Abhängig von der jeweiligen Rolle der Beschäftigten erfordert das Zusammenwirken zwischen Mensch
und KI unterschiedliche Kompetenzen.

Fach- und Grundwissen

  • Kompetenz
  • Beschreibung
  • Fachkompetenz
  • Beschäftigte besitzen das nötige fachspezifische Wissen/die nötigen fachspezifischen Fähigkeiten, um die alltäglichen Aufgaben positionsgerecht zu erfüllen. Dies kann je nach Position von Beschäftigten z.B. auch manuelle Fähigkeiten einschließen.
  • Grundlegende digitale Kompetenzen
  • Kompetenzen Beschäftigte gehen sicher und selbstbewusst mit herkömmlichen digitalen Medien und Technologie um und können insbesondere mit gängigen Office-Programmen sowie mit Technologien zur digitalen Zusammenarbeit reibungslos arbeiten. Insbesondere verfügen sie über ausreichendes Bewusstsein für digitale Sicherheitsaspekte.
  • KI-Awareness
  • Beschäftigte wissen über die im Unternehmen eingesetzten KI-Systeme und deren prinzipielle Leistungsfähigkeiten Bescheid; dies schließt besonders das Wissen ein, was KI-Systeme gerade nicht leisten können. Sie sind sensibilisiert gegenüber den Daten, die das KI-System verarbeitet, einschließlich möglicher personenbezogener Daten.

Entwicklung von und Umgang mit KI-Systemen

  • Kompetenz
  • Beschreibung
  • MMI-Kompetenzen
  • Beschäftigte verfügen über Kompetenzen zum zielgerichteten Umgang in der Mensch-Maschine-Interaktion auf dem jeweils aktuellen Stand der Technik.
  • Grundwissen Maschinelles Lernen
  • Beschäftigte kennen und verstehen Grundlagen des Maschinellen Lernens einschließlich Deep Learning und neuronaler Netzwerke und können dieses Wissen in der Mensch-Maschine-Interaktion anwenden.
  • Fähigkeiten in Programmiersprachen, Plattformen, Frameworks und Bibliotheken
  • Beschäftigte beherrschen relevante Programmiersprachen wie Python als Grundlage für Maschinelles Lernen. Sie haben einen sicheren Umgang mit gängigen Plattformen wie Amazon Web Services (AWS) und Frameworks/ Bibliotheken wie Sparks oder Hadoop (Büchel & Mertens 2021).
  • Big Data, Data Science und Data Analytics
  • Beschäftigte verfügen über Fähigkeiten in der Verwaltung, Erfassung, Zusammenstellung, Verarbeitung und Modellierung von Daten und der Analyse großer Bestände von strukturierten oder unstrukturierten Daten. Wichtige Kompetenzfelder sind dabei unter anderem fortgeschrittene Mathematik, Kryptografie, Datenethik und Data Privacy oder Data Mining (Gesellschaft für Informatik 2019).
  • Prozess- und Systemkompetenz
  • Beschäftigte können Prozesse und Abläufe im Unternehmen erkennen, in diesen Prozessen und Abläufen denken und ihr eigenes Arbeitsverhalten in Prozessen und Abläufen strukturieren. Sie sind auch in der Lage, diese Prozesse und andere komplexe Sachverhalte als Systeme zu beschreiben, zu rekonstruieren und zu modellieren und auf dieser Basis Prognosen zu treffen und Handlungsoptionen zu entwerfen. Konkret realisieren die Beschäftigten die Spezifika des Einflusses von KI auf Unternehmensprozesse: Sie verstehen die Veränderungen durch KI und können die eigenen Arbeitsprozesse in Bezug auf die Zusammenarbeit mit KI optimieren.
  • Problemlösungskompetenz, Resilienz
  • Beschäftigte können unerwartet auftretende Situationen und Schwierigkeiten schnell erkennen, mit ihnen umgehen und geeignete Lösungsstrategien entwickeln. Dies beinhaltet insbesondere das Wissen und ggf. die praktische Fähigkeit, wie die Beschäftigten bei KI-gesteuerten Prozessen intervenieren können.
  • Reflexionskompetenz
  • Beschäftigte sind in der Lage, die Informationen und Ergebnisse von KISystemen kritisch zu interpretieren und zu bewerten. Sie können selbstständig und kompetent einschätzen, wann Vertrauen in KI-Systeme und die von KI-Systemen generierten Daten gerechtfertigt ist.

Gestaltung des Kontextes von KI-Systemen

  • Kompetenz
  • Beschreibung
  • Selbstkompetenzen
  • Beschäftigte verfügen über ein ausreichendes Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Sie bringen die Neugier und Bereitschaft mit, den Umgang mit Maschinellem Lernen und KI-Technologien zu erlernen und damit zu arbeiten.
  • Soziale- und Kommunikationskompetenz
  • Beschäftigte können sich in unterschiedlich zusammengesetzten Teams einbringen. Sie können dabei mit Kolleginnen und Kollegen mit verschiedenen fachlichen Hintergründen und unterschiedlichen Erfahrungsbzw. Kompetenzniveaus zusammenarbeiten. Im Kontakt mit Kundinnen und Kunden und Anwendern der KI-Systeme können die Beschäftigten die Besonderheiten des Einsatzes von KI-Systemen für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich passend erklären.
  • (Personal-)Management, Führungskompetenz, Change-Management
  • Beschäftigte mit Führungsverantwortung können ein Team organisieren, Aufgaben(bündel) koordinieren und delegieren. Sie können Potenziale und Grenzen der KI kommunizieren, Ängste nehmen und Weiterbildungspotenziale aktivieren. Bei der Integration von KI-Systemen in die Unternehmensprozesse können sie vernünftige Ziele formulieren und so den Change-Prozess mitgestalten.
  • Entscheidungskompetenz
  • Beschäftigte kennen ihre Zuständigkeiten und sind in der Lage, im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten zuverlässige, wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen.
  • Anpassungsfähigkeit, Transfer
  • Beschäftigte sind in der Lage, sich an durch die KI implizierte Möglichkeiten und Herausforderungen anzupassen und ihre Arbeitsweise darauf einzustellen.

Neue Anforderungen an Führungskräfte

Rollenverständnis: Eine besondere Rolle in der Gestaltung des KI-Wandels kommt Führungskräften zu: Sie müssen eine Vision entwickeln, wie sich das Unternehmen mit KI aufstellen möchte. Anschließend müssen sie anstoßen und organisieren. Wichtig auch: Als Motivatorinnen und Motivatoren müssen Führungskräfte die Beschäftigten für die neuen Technologien begeistern und gleichzeitig Ängste, Vorbehalte und Sorgen aufnehmen.

Umgang mit KI-Systemen: Zugleich können KI-Systeme die Arbeit der Führungskräfte selbst unterstützen. KI-Systeme werden künftig administrative Aufgaben automatisiert übernehmen können, indem sie die festgelegten strategischen Ziele kontrollieren oder bei der Zusammenstellung von Teams oder im Recruiting neuer Beschäftigten unterstützen KI-Systeme, die in der Führung eingesetzt werden, arbeiten oft mit sensiblen Daten von Beschäftigten, die (unerlaubte) Leistungserfassungen und -bewertungen ermöglichen. Auch wenn dies konkret nicht realisiert wird: Schon die wahrgenommene Möglichkeit einer solchen Auswertung kann Befürchtungen auslösen. Führungskräfte müssen daher ihren Beschäftigten gegenüber transparent machen: Welche Daten werden erhoben? Wie werden diese verarbeitet? Für welche Zwecke werden sie erfasst? Es ist ein elementarer Aspekt der Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und der Arbeit von Führungskräften, Persönlichkeitsrechte und Beschäftigtendaten gemäß den nationalen und internationalen gesetzlichen Bestimmungen (DSGVO, Arbeitsrecht, Mitbestimmungsgesetze etc.) zu schützen. Dies sollte bereits in der technischen Umsetzung durch das grundlegende Design der KI-Systeme angestrebt werden („privacy-by-design“).

Weiterbildung: Um den neuen Anforderungen durch den KI-Einsatz gerecht zu werden, müssen auch Führungskräfte entsprechend weitergebildet werden. Nicht zuletzt ändert sich mit KI-Systemen der Schwerpunkt ihrer Arbeit: Die eingesparte Zeit kann nun auf eine sozialere und kommunikativere Führung verwendet werden.