KI im Mittelstand – So gelingt der Einstieg für kleine und mittlere Unternehmen

Ein Expertenbeitrag von Ralf Klinkenberg, Mitglied der Plattform Lernende Systeme

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltechnologie für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen jeder Größe. Mit KI können Prozesse und Produkte verbessert und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Bislang sind viele Mittelständler beim Thema KI aber noch zurückhaltend: Oftmals  fehlen gut aufbereitete Daten, Fachkräfte und Investitionsspielraum. Wie mittelständische Betriebe die Potenziale von KI nutzen und Stolpersteine bei der KI-Einführung bewältigten können, erklärt Ralf Klinkenberg, Gründer des Software-Anbieters RapidMiner und Mitglied im Lenkungskreis der Plattform Lernende Systeme.

Ralf Klinkenberg, Gründer der RapidMiner GmbH und Mitglied im Lenkungskreis der Plattform Lernende Systeme

Ob Kfz-Werkstatt, Regal-Hersteller oder Feinkostbetrieb: Nicht nur große Konzerne können ihr Geschäft mit KI-Systemen zukunftsfähig aufstellen. Zu den zentralen Nutzenpotenzialen gehören auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Effizienzvorteile (z.B. Produktion/Ressourcen), kundenspezifische Angebote, Geschäftsmodellinnovation und Gewinnsteigerung. Die Einsatzfelder reichen von der Bedarfsprognose für Einkauf und Produktionsplanung oder intelligenten Chatbots im Kundenmanagement über die KI-assistierte Qualitätskontrolle bis hin zur intelligenten Anlagenwartung. Laut aktuellen Studien setzen bisher aber lediglich sechs Prozent aller KMU KI-Technologien in allen Geschäftsbereichen konsequent ein. Die meisten mittelständischen Betriebe wenden KI dagegen erst in einzelnen Projekten an, planen erste KI-Pilotprojekte oder nutzen KI noch gar nicht. Gerade  kleine und mittlere Betriebe, die häufig noch inhaber- oder familiengeführt sind, besitzen mit ihren kurzen Entscheidungswegen gute Voraussetzungen, um schnell technische Innovationen wie Künstliche Intelligenz einzuführen.

Potenziale erkennen und KI-Strategie konzipieren

Trotzdem stehen Mittelständler bei der Einführung von KI-Technologien auch vor besonderen Herausforderungen – gerade, wenn sie in der Digitalisierung noch am Anfang stehen. Häufig fehlen das nötige Know-how bzw. entsprechenden Fachkräfte oder Investitionsspielräume. Teilweise sind vorhandene Datenquellen im Unternehmen verstreut und nicht automatisiert miteinander verknüpfbar. Technische Kompetenzen, die vorhandene Infrastruktur sowie die strategische Ausrichtung des Unternehmens bestimmen, wie gut ein Betrieb auf den Einsatz von KI-Technologien vorbereitet ist.

In unserer neuen Praxisbroschüre der Plattform Lernende Systeme zeigen wir, wie Unternehmen entsprechend ihren Voraussetzungen (z.B. Digitalisierungsgrad) und ihren Zielsetzungen eine passende KI-Strategie entwickeln können. In den Daten des Mittelstands verbirgt sich in vielen Fällen ungenutztes Potenzial, das mit KI gehoben werden kann. Aber Künstliche Intelligenz ist kein Selbstzweck. Nicht jedes Problem kann und sollte mit KI-Methoden gelöst werden.

Wie lassen sich Produkte oder Prozesse mithilfe von KI optimieren, Umsätze oder Gewinne erhöhen oder innovative Geschäftsmodelle entwickeln? Zu Beginn des ersten KI-Projekts sollten Unternehmen genau definieren, was sie mit KI erreichen wollen und in welchen Bereichen sich der Einsatz von KI lohnt.

Mit Partnern kooperieren und Beschäftigte einbinden

Für erste Umsetzungsprojekte sind noch keine komplett digitalisierten Unternehmensbereiche oder großen Datenmengen erforderlich: Auch erste Projekte in passenden Abteilungen ermöglichen den Einstieg. Anschließend kann eine größer angelegte Strategie für das gesamte Unternehmen aufgebaut werden. Unternehmen müssen das notwendige Know-how dafür nicht zwangsläufig selbst entwickeln, sondern können erforderliches KI-Wissen von außen einholen. Neben Beratungsangeboten sind auch Kooperationen mit Forschungseinrichtungen möglich. Fehlt die technische Infrastruktur wie Rechnerkapazitäten oder Investitionsspielraum für die Entwicklung eigener KI-Systeme, können auch hier passgenaue Lösungen als KI-as-a-Service-Angebote (KI-aaS) zugekauft werden. Bei der intelligenten Wartung von Anlagen können Unternehmen beispielsweise auf KI-Services von Maschinenherstellern zurückgreifen. KI-aaS Angebote können den KI-Einstieg erleichtern, langfristig bringen aber nur eigene Lösungen einen echten Wettbewerbsvorteil.

Oftmals verfügt ein Unternehmen nicht allein über die notwendigen Daten für innovative KI-Anwendungen. Hier bietet sich eine Vernetzung mit Mitbewerbern oder Zulieferern in KI-Ökosystemen an. Auch die Kooperation mit Anbietern von Daten, Technologien und digitalen Plattformen kann helfen, das benötigte Wissen innerhalb digitaler Wertschöpfungsnetzwerke aufzubauen. Auf diese Weise können Daten, Know-how und Infrastruktur gemeinsam genutzt und Risiken geteilt werden.

Zentral für eine nachhaltige KI-Einführung in KMU ist zudem die Einbindung der Beschäftigten in das KI-Change-Management. Eine kontinuierliche Mitwirkung der Beschäftigten ist ein wichtiger Baustein, um  Sorgen und Vorbehalte abzubauen und die Beschäftigten für die KI-Transformation zu motivieren.

Ausblick: Dateninfrastrukturen ausbauen und Transfer ausweiten

Wirtschaft, Wissenschaft und Politik müssen gemeinsam zentrale Rahmenbedingungen verbessern, um die Nutzung von KI und die KI-Transformation im Mittelstand zu fördern: So ist für den Mittelstand der Ausbau leistungsfähiger Netze auch in der Fläche wichtig, da viele Mittelständler nicht in den Ballungsgebieten angesiedelt sind. Auch die Schaffung einer einheitlichen europäischen Dateninfrastruktur, wie sie die Initiative GAIA-X verfolgt, könnte einen sicheren Datenaustausch ermöglichen und damit auch im Mittelstand bei der Einführung von KI-Lösungen helfen. Um die Anwendungsbreite von KI im Mittelstand aufzeigen zu können, sollte zudem der Technologietransfer im Mittelstand erweitert und gezielte Fördermaßnahmen ausgebaut werden.

Gastkommentar erschienen in:

Tagesspiegel Background
Juni 2021

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