3 Fragen an

Wilhelm Bauer

Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Co-Leiter der Arbeitsgruppe Arbeit/Qualifikation, Mensch-Maschine-Interaktion der Plattform Lernende Systeme

3 Fragen an Wilhelm Bauer

KI im Job: „Wir werden flexibler und mobiler arbeiten“

Künstliche Intelligenz (KI) wird unsere Arbeitswelt verändern – in der Fabrik genauso wie im Büro. KI-basierte Software und Roboter können die Menschen bei monotonen sowie körperlich anstrengenden Tätigkeiten unterstützen. Zentral für eine gelungene Zusammenarbeit mit KI-Systemen ist die Qualifizierung der Beschäftigten. Welche Fähigkeiten im KI-Zeitalter wichtig sind und wie Unternehmen ihre Beschäftigten für den Umgang mit KI-Systemen qualifizieren können, erläutert Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Co-Leiter der Arbeitsgruppe Arbeit/Qualifikation, Mensch-Maschine-Interaktion der Plattform Lernende Systeme.

1

Herr Bauer, wie verändert sich der Arbeitsalltag durch KI?

Wilhelm Bauer: Künstliche Intelligenz wird schon heute auf vielfältige Weise in der Arbeitswelt eingesetzt. Denken Sie an diverse Internetangebote, wie Suchmaschinen oder Übersetzungs-Tools. Sie wären ohne KI nicht vorstellbar. Oder industrielle Qualitätsprüfungssysteme auf Basis von Mustererkennung, um Fehlteile zuverlässig zu detektieren.

Den Arbeitsalltag verändert KI auf unterschiedliche Weise. Vor allem ändern sich die Tätigkeitsprofile, wenn intelligente Maschinen den Menschen unterstützen. Ich habe keine Sorge, dass uns durch den KI-Einsatz die Arbeit ausgehen wird. Allerdings werden wir tendenziell flexibler und mobiler arbeiten.

Eine besondere Erwähnung verdient der Arbeitsalltag der Software Engineers, also jener Berufs­gruppen, die KI-Systeme implementieren. Diese KI-Entwickler müssen nicht nur nicht-lineare Funktionslogiken anwenden; sie benötigen vor allem ein hohes Abstraktionsvermögen, um Probleme zu erfassen und Sachverhalte zu modellieren. Die Dynamik von selbstlernenden Systemen, die sich stetig weiterentwickeln, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Daher sind die Ergebnisse solcher Systeme immer auf Plausibilität und Validität zu prüfen – auch in der Vorausschau und unter Berücksichtigung verschiedener möglicher Datensituationen. Solche Arbeitsweisen setzen ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Verantwortungsbewusstsein voraus – auch bei den Mitarbeitenden, die derartige Systeme nutzen.

2

Welche neuen Fähigkeiten brauchen Beschäftigte? Und welche verlieren an Bedeutung?

Wilhelm Bauer: In unserer Unternehmensbefragung haben wir einen hohen Bedarf an Fach-, KI- und Digitalkompetenzen im Zuge der KI-Einführung ermittelt. So werden Informatiker unabdingbar die Methoden des maschinellen Lernens und der Data Science beherrschen müssen. Digitale Kompetenzen reichen allerdings für den Arbeitserfolg nicht aus: ebenso wichtig ist das sogenannte Branchen- oder Domänenwissen. Wer KI etwa in der industriellen Produktion anwenden will, muss über profundes Produktionswissen verfügen.

Wenn Unternehmen KI einführen, gewinnt die agile Projektarbeit an Bedeutung. Hier sind soziale, kommunikative und Selbstkompetenzen, wie Eigeninitiative, Kreativität oder Problemlösungsfähigkeit, gefragt. Zudem wirft der KI-Einsatz vermehrt ethische Fragen auf. KI-Experten müssen die individuellen bzw. sozialen Folgen des Technikeinsatzes abschätzen können, um unerwünschte oder gar rechtswidrige Entwicklungen als solche zu erkennen und möglicherweise zu stoppen.

In dem Maße, wie eigenständiges, problemfindendes und -lösendes Verhalten an Bedeutung gewinnt, treten solche Kompetenzen in den Hintergrund, die zur gewissenhaften Erfüllung gleichförmiger Routineaufgaben erforderlich sind.

3

Was ist notwendig, um die Menschen für die Zusammenarbeit mit den KI-Systemen zu befähigen?

Wilhelm Bauer: Unternehmen verfolgen unterschiedliche Strategien des Kompetenzaufbaus: Die einen entwickeln bestehende Kompetenzen durch innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen weiter. Andere rekrutieren qualifizierten Nachwuchs oder erfahrene Expertinnen und Experten auf den Arbeitsmärkten. Beide Wege stoßen gegenwärtig allerdings an Grenzen.

Wie unsere Unternehmensbefragung ergab, betonen aktuelle Qualifizierungskonzepte die Integration von arbeitsplatznahem Lernen und Handeln. Dies soll die zielgerichtete Umsetzung neuer Erfahrungen in der praktischen Anwendung fördern. KI-Qualifizierung findet bevorzugt als aufgabenspezifische „On-the-job-trainings“ oder Inhouse-Seminare statt. Weltweit verfügbare, umfangreiche Online-Bildungsangebote unterstützen ein solches Vorhaben.

Auffällig ist die hohe intrinsische Motivation vieler KI-Nutzer, wenn es um den Erwerb neuer Kompetenzen geht. Ausschlaggebend hierfür mögen auch exzellente Karrierechancen sein. Das erleichtert es den Menschen die Lernanforderungen erfolgreich zu bewältigen.

Ein mündiger Umgang mit KI-Systemen setzt neben Wissen und Urteilsvermögen aber auch Entscheidungs- und Handlungsspielräume voraus. KI-Algorithmen erweisen sich als eine Art „Black Box“, bei der die Zusammenhänge von Ein- und Ausgabe oft schwierig oder gar nicht zu interpretieren sind. „Erklärbare Künstliche Intelligenz (XAI)“ beschreibt die Funktionalität eines KI-Modells, seine erwartete Wirkung und seine systematischen Fehler. Sie ermöglicht den Nutzern, das Ergebnis zu ändern oder eine Entscheidung gar anzufechten.

Der Bericht zur Unternehmensbefragung KI-Kompetenzentwicklung bei Sach- und Produktionsarbeit steht zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

Zurück