3 Fragen an

Oliver Suchy

Leiter der Abteilung "Digitale Arbeitswelten und Arbeitsweltberichterstattung" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und Mitglied der Arbeitsgruppe Arbeit, Qualifikation und Mensch-Maschine-Interaktion der Plattform Lernende Systeme

3 Fragen an Jürgen Beyerer

„Für echtes Empowerment sorgen“: Wie Beschäftigte die Einführung von KI im Unternehmen mitgestalten können

Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Arbeitswelt. KI-Systeme können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihren Aufgaben entlasten und Arbeitsprozesse verschlanken. Die Einführung der Technologie in Unternehmen ist aber auch mit Herausforderungen verbunden. Damit sie sowohl für Beschäftigte als auch Unternehmen zum Erfolg wird, bedarf es eines strukturierten Change-Managements. Worauf es dabei ankommt und wie Unternehmen ihre Angestellten bestmöglich auf den Wandel vorbereiten, erklärt Oliver Suchy. Er ist Leiter der Abteilung "Digitale Arbeitswelten und Arbeitsweltberichterstattung" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und Mitglied der Arbeitsgruppe Arbeit, Qualifikation und Mensch-Maschine-Interaktion der Plattform Lernende Systeme.

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Herr Suchy, was zeichnet ein erfolgreiches Change-Management bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz aus?

Oliver Suchy: Entscheidend sind Transparenz und Offenheit, Kompetenz, Partizipation und prozessorientierte Mitbestimmung. Change Prozesse sind in deutschen Unternehmen nichts Neues, aber die Einführung von KI im Betrieb erfordert genau dies: Eine Weiterentwicklung von partizipativen Ansätzen und Mitbestimmungsprozessen, die nicht nur punktuell, sondern – das ist das Besondere bei lernenden Systemen – ebenso lernend und daher sowohl präventiv als auch kontinuierlich ausgerichtet werden sollten. KI im Betrieb braucht also eine neue Governance.

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Welche Besonderheiten sind beim Übergang zum Arbeiten mit KI-Systemen im Vergleich mit anderen Technologien zu beachten?

Oliver Suchy: Wichtig ist eine betriebliche Folgenabschätzung. Zunächst muss das Unternehmen einige wichtige Fragen klären: Was für eine Art KI habe ich? Was kann eine KI? Wie lernt das System und nach welchen Kriterien wird entschieden? Also, auch: Welche Steuerungsmöglichkeiten gibt es? Welche Daten werden wie genutzt? Und nicht zuletzt: Welche Effekte sind für die Arbeitsorganisation zu erwarten? Fallen Arbeitsplätze weg oder wie werden sie verändert? Welche Qualifikationen werden benötigt? Wie ändern sich Belastungsprofile? Voraussetzung für die Beantwortung dieser Fragen ist ein hohes Maß an Transparenz über die KI-Anwendung, die vom Anbieter der KI eingefordert werden muss. Denn nur wenn ich genug über die Wirkungsweise der KI weiß, kann ich ihre sogenannte ‚Kritikalität‘ einschätzen – ein wichtiger Schritt für die betriebliche Folgenabschätzung. Die Kritikalität beschreibt dabei zum Beispiel das Maß der Autonomie des Systems. Davon leitet sich die Regelungstiefe ab. Das gilt ebenso für die Frage, ob und wenn ja welche Daten der Beschäftigten wofür genutzt werden sollen. Hier kann es zu Zielkonflikten kommen, so dass die Beschäftigten und betrieblichen Interessenvertreter und -vertreterinnen von Anfang an eng und verbindlich eingebunden werden sollten. Am besten sind prozessorientierte Vereinbarungen zu diesen Fragen.

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Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Wandel vorbereiten?

Oliver Suchy: Ich denke, hierfür braucht es ein erweitertes Verständnis: Es geht weniger darum, die Beschäftigten ‚mitzunehmen‘, sondern für echtes Empowerment zu sorgen. Dazu gehört, den Vorhang zu lüften und offenzulegen, was die Vorteile des KI-Systems sind und wie sie realisiert werden sollen. Genauso sollte klipp und klar auf den Tisch kommen, was das für die konkreten Arbeitsplätze heißt, ob es eine Aufwertung bedeutet oder zu Abwertungen bzw. auch Arbeitsplatzverlusten führen kann. Qualifizierungsbedarfe erheben und mögliche Umschulungen planen gehört von Anfang an dazu. Unter Empowerment verstehe ich, dass auch Mitsprache und Mitgestaltung durch die Beschäftigten gestärkt werden. So sollte das Erfahrungswissen für die Gestaltung der Schnittstellen von Mensch und Maschine genutzt werden. Gleichzeitig braucht es verbindliche Vereinbarungen zu den Zielen und Prozessen, der Datennutzung und eine kontinuierliche Überprüfung bzw. Anpassungsmöglichkeiten. Die Partizipation der Beschäftigten sollte nicht nur punktuell oder rein informativ, sondern dauerhaft und gestalterisch etabliert werden.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

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