
Frau Stich, was hat der Einsatz von KI mit Unternehmenskultur zu tun?
Andrea Stich: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ist eng mit der Unternehmenskultur verbunden und wirkt zugleich als Treiber und Ergebnis eines daraus resultierenden kulturellen Wandels. Eine erfolgreiche Implementierung setzt eine innovationsfördernde Umgebung sowie eine bewusste Begleitung dieses Wandels voraus. Der Erfolg hängt daher maßgeblich davon ab, wie aktiv und gezielt Unternehmen den kulturellen Wandel gestalten.
Dieser Wandel geht weit über rein technische Aspekte hinaus und beeinflusst zentrale Bereiche wie Kommunikation, Kooperation, Führung, Rollenbilder und die allgemeine Innovationsfähigkeit. Ohne die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich auf diese Veränderungen einzulassen, können die positiven Effekte von KI nicht genutzt werden. Unternehmen sind daher gefordert, diesen Prozess proaktiv zu steuern, um den langfristigen Erfolg von KI zu sichern.
Ein wesentlicher Faktor ist die Einhaltung ethischer Grundprinzipien, darunter Autonomie, Fairness, Transparenz und der Schutz der menschlichen Würde. Diese Werte dienen nicht nur als Orientierungshilfe, sondern sind auch entscheidend für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Einführung von KI-Systemen.
Wie bleiben die Beschäftigten trotz KI-Unterstützung im Mittelpunkt?
Andrea Stich: Eine erfolgreiche KI-Implementierung erfordert eine ausgewogene Balance zwischen Menschen, Technik und Organisation. Dabei werden der menschliche Faktor und die Organisationsstrukturen häufig übersehen, obwohl sie entscheidend sind. Frühzeitige Partizipation der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen ist unerlässlich, um die Systeme nutzerzentriert zu gestalten und Ängste von vornherein abzubauen. Der Aufbau von KI-Kompetenzen bei den Mitarbeitenden bildet dabei eine grundlegende Voraussetzung.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Einsatz von KI tiefgreifende Auswirkungen auf die Art der Zusammenarbeit sowie den zwischenmenschlichen Umgang im Unternehmen hat. Der Erfolg der KI-Einführung hängt maßgeblich davon ab, wie bewusst und partizipativ dieser kulturelle Wandel von den Unternehmen gestaltet wird und wie stark der Fokus auf die Menschen, die Vertrauensbildung und die Kompetenzentwicklung gelegt wird.
Vertrauen ist dabei ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Einsatz von KI. Es entsteht durch frühzeitige und klare Kommunikation über bevorstehende Veränderungen, die Einbeziehung der Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse sowie eine transparente Zielformulierung. Wichtig ist es, den Mitarbeitenden die Angst vor KI zu nehmen, indem deutlich gemacht wird, dass diese Technologien eine Entlastung darstellen und die Konzentration auf kreative sowie wertschöpfende Aufgaben ermöglichen können. Im Zentrum sollten daher menschenzentrierte KI-Systeme stehen, die sowohl technische Effizienz als auch soziale und kulturelle Bedürfnisse berücksichtigen.
Welche Herausforderungen bleiben für Unternehmen und Beschäftigte?
Andrea Stich: Unternehmen und Beschäftigte stehen in der gesamten digitalen Transformation vor weiteren zentralen Herausforderungen, von denen ich 4 hervorheben möchte.
- Datenschutz und Sicherheit sind essenziell: Unternehmen müssen personenbezogene Daten schützen und Mitarbeitenden Transparenz und Kontrolle über ihre Informationen ermöglichen. Gleichzeitig gilt es, Sicherheitsrisiken wie Cyberangriffe technisch zu minimieren.
- Die Integration von KI in bestehende Prozesse ist komplex und erfordert einen reibungslosen Übergang. Hierbei muss das Management eine Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Interaktion finden, da der menschliche Faktor in kreativen, ethischen und kommunikativen Aufgaben unverzichtbar bleibt.
- Ein weiteres Problem liegt im Fokus auf Effizienzsteigerung statt Innovation. Viele Unternehmen nutzen KI vor allem zur Optimierung, verpassen jedoch Chancen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Experimentierräume können helfen, KI kreativ und zukunftsorientiert einzusetzen.
- Zudem wachsen Anforderungen an Mitarbeitende: Einerseits besteht die Sorge um Kompetenzverlust durch Automatisierung, andererseits ist der Erwerb neuer Qualifikationen notwendig, um KI-Systeme effektiv zu nutzen. Unternehmen sind gefordert, Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen und den Kompetenz-Wandel aktiv und zielgerichtet zu begleiten.
Erfolgreiche Digitalisierung erfordert daher eine strategische und interdisziplinäre Herangehensweise, die Technologie, Innovation und die Bedürfnisse der Beschäftigten gleichermaßen berücksichtigt. Nur so können Chancen der KI verantwortungsvoll genutzt werden.
Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).