3 Fragen an

Volker Tresp

Professor für maschinelles Lernen an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied der Arbeitsgruppe Technologische Wegbereiter und Data Science der Plattform Lernende Systeme

3 Fragen an Volker Tresp

Einfach erklärt: Was ist und kann Künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als digitale Schlüsseltechnologie der Zukunft. KI-basierte Computersysteme können den Verkehr steuern, Produktionsprozesse optimieren und Ärztinnen und Ärzte in der Diagnose unterstützen. Über Smartphones nutzen wir KI-Systeme längst im Alltag. Doch was genau ist KI und wie funktioniert sie? Was unterscheidet schwache KI von starker KI? Und welche Herausforderungen sind mit dem Einsatz von selbstlernenden Computerprogrammen verbunden? Diese Fragen beantwortet Volker Tresp im Interview. Er ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Forschungsschwerpunkt Maschinelles Lernen in Informationsnetzwerken und Mitglied der Plattform Lernende Systeme.

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Was genau ist KI eigentlich – und wie lernt sie?

Volker Tresp: Eine allgemein anerkannte Definition von Künstlicher Intelligenz gibt es nicht. Man spricht gemeinhin von KI, wenn ein Computersystem eine Aufgabe übernehmen kann, die vom Menschen Intelligenz verlangt – und für deren Bewältigung nicht jeder Schritt vorab programmiert werden musste. Ein Beispiel ist die Postsortierung: Früher hat ein Mensch die handgeschriebene Postleitzahl auf einem Brief gelesen und die Post je nach Zieladresse in verschiedene Fächer einsortiert. Ein KI-System erkennt mit Hilfe einer Kamera neben der Postleitzahl gleichzeitig auch den Namen der Stadt und des Adressaten sowie die genaue Adresse und arbeitet so sehr viel schneller und macht weniger Fehler, indem es die Informationen auf Konsistenz abprüft. Ein anderes Beispiel ist die ärztliche Entscheidung für die Therapie einer Patientin oder eines Patienten. Neben einer jahrelangen Ausbildung erfordert dies viel Erfahrung. Unterstützt werden Ärztinnen und Ärzte bei der Entscheidungsfindung künftig zunehmend durch KI – etwa bei der Analyse medizinischer Röntgen- oder Ultraschallbilder. KI-Systeme können Auffälligkeiten hier schneller erkennen und ermüden nicht: Sie haben kein Problem, hunderte von CT-Scans nach winzigen Lungenknoten zu durchsuchen.

Wie der Mensch lernen auch KI-Systeme aus Beispielen der Vergangenheit, um in Zukunft besser zu agieren. Nötig ist dazu ein Trainingsprozess. Ein Verfahren ist das überwachte Lernen. Nehmen wir das Beispiel der Postsortierung: Für das Training wird das KI-System mit Beispielpaaren gefüttert – bestehend aus dem Bild einer handgeschriebenen Ziffer und derselben getippten Ziffer. Mit der Zeit lernt der Computer, auf einem neuen Bild die richtige Ziffer vorherzusagen. Eine andere Lernmethode ist das verstärkende Lernen. Hier wird der Computer durch positives Feedback belohnt, wenn er eine Aufgabe richtig gelöst hat. Nehmen wir das Schachspiel, wo Computer heute jedem menschlichen Champion überlegen sind. Das Lernprinzip ist ähnlich wie beim Training eines Haustieres: Wir können Hunden nicht wirklich zeigen, wie diese einen Stock apportieren sollen, das müssen sie selbstständig lernen. Das einzige Signal, das der Mensch geben kann, ist eine erfolgsbedingte Anerkennung wie ein Leckerli. Ebenso sagt ein Baby nicht, was ihm nicht passt: es schreit. Was zu tun ist, müssen die Eltern selbst herausbekommen. Auch eine Form von verstärkendem Lernen!

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Häufig ist die Rede von starker und schwacher KI. Was meint das?

Volker Tresp: Niemand würde behaupten, dass eine Maschine, die nur die Adresse auf einem Brief erfassen kann, wirkliche Intelligenz besitzt. Hier handelt es sich um sogenannte schwache KI: Der Computer übertrifft den Menschen nur in einer speziellen Aufgabe. Eine starke KI hingegen besitzt so etwas wie menschliche Intelligenz. Eine Möglichkeit, dies zu prüfen, ist der so genannte Turing-Test – benannt nach Alan Turing, einem Pionier der Informatik. Dabei stellt ein Mensch einem Computersystem eine Frage. Erkennt er aus den Antworten nicht, ob er mit einem anderen Menschen oder mit einer KI kommuniziert hat, wäre das ein Zeichen einer starken KI. Nun stellt sich die Frage: Gelten Sprachassistenzsysteme wie Siri oder Alexa bereits als starke KI-Systeme, weil sie – gefüttert mit Inhalten aus dem Internet – fast alle Fragen richtig beantworten können? Oder handelt es sich dabei um reines Nachplappern? Bei allen Fortschritten, die insbesondere in den vergangenen zehn Jahren in der KI gemacht wurden: Die meisten Expertinnen und Experten sind der Meinung, dass wir von einer starken KI noch weit entfernt sind.

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Welche Chancen und Gefahren sind mit KI verbunden?

Volker Tresp: Das Spektrum an KI-Anwendungen wächst täglich. Es reicht von Übersetzungsprogrammen über Empfehlungssysteme beim Online-Shopping und der medizinischen Bildanalyse bis hin zu einem künftigen autonomen Fahren. In einigen Städten sind bereits heute fahrerlose U-Bahnen unterwegs. Der Großteil der heutigen KI-Anwendungen stellt keine Gefahr dar. Wenn ein Brief an die falsche Adresse geschickt oder mir das falsche Produkt empfohlen wird, ist das nicht gefährlich. Übersieht eine KI-basiertes Fahrzeug ein Kind im Straßenverkehr, ist dies natürlich ungleich dramatischer – hier sind KI-Entwicklerinnen und Entwickler gefordert. Eine andere Frage betrifft die Fairness von KI-basierten Empfehlungen: Wenn diese immer mehr Teil unseres Alltags werden, sollten sie keine Bevölkerungsschicht benachteiligen; Ziel muss eine vertrauenswürdige KI sein. Generell sind KI-Systeme datenhungrig und müssen mit vielen, auch persönlichen (eventuell: anonymisierten personenbezogenen) Daten trainiert werden. Diese dürfen nicht in die falschen Hände geraten – hier ist ein wirksamer Datenschutz gefragt. Wir sollten uns auch fragen, was KI in unserer Arbeitswelt erreichen soll. Sie kann uns eintönige und gefährliche Arbeiten abnehmen, doch darf der Mensch auch nicht bevormundet und manipuliert werden. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft diskutieren, wie und wozu wir KI nutzen wollen.

 

Mehr Informationen zu Grundlagen, Anwendungen und Herausforderungen von KI bietet das Webangebot www.ki-konkret.de der Plattform Lernende Systeme.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

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