3 Fragen an

Elisabeth André

Professorin für Informatik an der Universität Augsburg und Leiterin der Arbeitsgruppe Arbeit/Qualifikation, Mensch-Maschine-Interaktion der Plattform Lernende Systeme

3 Fragen an Elisabeth André

Assistenz-Roboter in der Pflege: „Ziel muss sein, die Pflege qualitativ zu verbessern“

Über vier Millionen Menschen sind in Deutschland aktuell auf Pflege angewiesen, in den kommenden Jahren wird ihre Zahl infolge der demografischen Entwicklung deutlich steigen. Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge fehlen bis 2035 rund 500.000 Pflegekräfte. Einige Aufgaben in der Pflege könnten künftig Assistenzroboter übernehmen. Für welche Tätigkeiten sie sich eignen, inwiefern ihr Einsatz zum Wohle von Fachkräften und Pflegebedürftigen ist und worauf bereits bei der Entwicklung von Pflegerobotern zu achten ist, erläutert Elisabeth André. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Multimodale Mensch-Technik-Interaktion am Institut für Informatik an der Universität Augsburg und unter anderem ausgezeichnet mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In der Plattform Lernende Systeme leitet Elisabeth André die Arbeitsgruppe „Arbeit/Qualifikation, Mensch-Maschine-Interaktion“.

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Frau André, sind humanoide Roboter die Zukunft der Pflege?

Elisabeth André: Die meisten Menschen wollen möglichst lange selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden leben. Doch in unserer alternden Gesellschaft mangelt es zunehmend an Pflegepersonal. Hinzu kommt, dass viele pflegebedürftige Menschen ihren Verwandten nicht zur Last fallen möchten. Neue, immer leistungsfähigere und kostengünstigere Technologien können dazu beitragen, diese Probleme zu lösen. Dazu gehören zum Beispiel auch humanoide, also menschenähnlich erscheinende, Roboter. Noch sind die Vorbehalte hierzulande zwar relativ groß. Doch für immer mehr Menschen ist es schon ganz selbstverständlich, dass moderne Assistenztechnologien ihren Alltag erleichtern. Es spricht also einiges dafür, dass humanoide Roboter im Pflegebereich künftig eine wichtige Rolle spielen werden, ja!

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Welche Einsatzbereiche sind denkbar?

Elisabeth André: Einerseits können Roboter Pflegekräfte bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten entlasten, etwa wenn sie Patientinnen und Patienten aus dem Bett helfen oder sie umbetten. Pflegeroboter können auch pflegebedürftige Menschen direkt unterstützen, indem sie ihnen Arbeiten im Haushalt abnehmen oder ihnen helfen, ihren Tagesablauf zu strukturieren – zum Beispiel als Gedächtnisstütze für die Medikamenteneinnahme. Wichtig sind mir aber auch die sozialen Aspekte. Natürlich haben Maschinen keine echten Gefühle, aber sie können Gefühle simulieren – und das immer besser. Und für viele Anwendungen spielt dieser Unterschied gar keine entscheidende Rolle.

Beispielsweise könnte ein Roboter erkennen, dass eine pflegebedürftige Person Ablenkung benötigt, indem er sich in sie hineinversetzt. In dem Fall liegt natürlich keine echte menschliche Empathie vor. Dennoch können personalisierte Vorschläge durch den Roboter zur Aufmunterung beitragen. Entscheidend ist aber, dass menschliche Kontakte nicht ersetzt, sondern unterstützt werden. So können Roboter in einem Pflegeheim zum Beispiel auch durch die Zimmer fahren und ältere Menschen zu gemeinschaftlichen Aktivitäten motivieren.

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Worauf muss man bei der Entwicklung und dem Einsatz von Pflegerobotern achten?

Elisabeth André: Wichtig ist, Personal, Angehörige und Pflegebedürftige so früh wie möglich in die Entwicklung einzubeziehen. Wie soll ein Pflegeroboter aussehen: so menschenähnlich wie möglich oder eher abstrakt? Wie soll er auftreten: milde oder eher bestimmt? Solche Fragen beantwortet man am besten im direkten Austausch mit den späteren Nutzerinnen und Nutzern. Im Einsatz muss dann auf jeden Fall gewährleistet sein, dass Pflegeroboter die Aufmerksamkeit nicht von den Menschen ablenken. Denn die Pflegenden sollen sich ja in erster Linie um das Wohl der Pflegebedürftigen kümmern und keine unnötige Zeit durch die Handhabung des Roboters verlieren oder den Blickkontakt zu den Patientinnen und Patienten einschränken. Die Maschine muss immer dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Primäres Ziel muss es sein, die Pflege qualitativ zu verbessern – und nicht, die Effizienz zu steigern!

Das in der Plattform Lernende Systeme entwickelte Anwendungsszenario KI zur Unterstützung in der Pflege zeigt vielfältige KI-Anwendungen auf, die schon bald zum Einsatz kommen könnten.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

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