acatech am Dienstag: Müssen wir mit ChatGPT nicht mehr (selbst) denken?

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT durch OpenAI im November 2022 haben weltweit Millionen Nutzer das kostenfrei im Internet verfügbare Sprachmodell getestet – und nicht selten über die eloquenten Texte gestaunt, die es auf Anfrage generiert. Müssen wir mit KI-Technologien wie dieser künftig nicht mehr (selbst) denken? Zu dieser Frage diskutierten beim Veranstaltungsformat acatech am Dienstag drei ExpertInnen der Plattform Lernende Systeme mit dem virtuellen Publikum.

Mit ChatGPT ist Künstliche Intelligenz (KI) in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wie funktioniert das KI-basierte Sprachmodell? Welche Auswirkungen hat es auf die Bildung? Wie werden sich Unternehmensprozesse verändern? Dies Fragen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung, die Mitte März mit rund 200 Gästen virtuell stattfand.

Nach der Begrüßung durch acatech Präsident Jan Wörner stellte Volker Tresp, Professor für maschinelles Lernen an der LMU München und Mitglied der Plattform Lernende Systeme (PLS), die technologischen Grundlagen von ChatGPT vor. Der Chatbot hat zunächst selbständig gelernt, auf Basis von Wahrscheinlichkeiten Sätze zu vervollständigen. Anschließend wurde er mit Hilfe von menschlichem Feedback darauf trainiert, Texte im gewünschten Stil und Duktus zu generieren. Anhand dieser Bewertungen, die durch einen speziellen Algorithmus abgebildet werden, ist der Chatbot in der Lage, sich laufend zu verbessern. Wichtig: ChatGPT liefert stets eine wahrscheinliche Antwort (selbst wenn diese falsch ist) und erfindet bisweilen Inhalte oder Quellen („halluziniert“). Dennoch, so Volker Tresp, markiere die Software einen Meilenstein in der KI-Entwicklung und sei für viele Lebensbereiche ein Gamechanger.

ChatGPT als Anlass, Bildung neu zu denken

So etwa für die Bildung: Studierende können Hausarbeiten in Sekundenschnelle von ChatGPT erstellen lassen. Die Technologie zu verbieten, mache jedoch keinen Sinn, so Ute Schmid, Inhaberin des Lehrstuhls für Kognitive Systeme an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und PLS-Mitglied. Wichtig sei vielmehr, sie zu nutzen, um menschliche Kompetenzen zu erweitern. Herausforderungen räumte Ute Schmid dennoch ein: Da ChatGPT seine Resultate ohne Kontext liefere, sei deren Glaubwürdigkeit schwer einzuschätzen. Auch sieht die Professorin die Gefahr, dass sich Fähigkeiten der Nutzerinnen und Nutzer zurückbilden, etwa beim Strukturieren komplexer Sachverhalte. Als Chance wertete sie die mögliche Entlastung für Lernende und Lehrende. Sie gewännen durch den Wegfall repetitiver Aufgaben Zeit, um ein tieferes Verständnis für komplexe Probleme zu entwickeln bzw. intensiver mit den SchülerInnen zu interagieren. Abschließend betonte Ute Schmid, wie wichtig es sei, die Diskussion über ChatGPT zu nutzen, um Bildung neu zu denken – hin zu mehr eigenständigem Denken, kritischem Hinterfragen und Transfer.

Auch für Unternehmen versprächen Sprachmodelle wie ChatGPT große Veränderungen, so Johannes Hoffart, CTO der AI Unit bei SAP SE und ebenfalls Mitglied der Plattform Lernende Systeme. Leistungsfähigkeit und Kontext-Verständnis aktueller KI-Modelle wie ChatGPT oder DALL-E seien enorm. Selbst denken müsse der Mensch aber weiterhin, so Hoffart. Sprachmodelle seien vielmehr ein Werkzeug, das verstreut vorliegende Informationen in Sekundenschnelle zusammentragen oder strukturierte Dokumente automatisiert auswerten könne. Die größte Disruption sieht Hoffart jedoch für das Generieren von Programmcode. Bereits heute ließe sich mit ChatGPT Code nach Anweisung erstellen und über Prüfverfahren verifizieren. Perspektivisch werde kaum noch originärer Code von Menschen erstellt, so Hoffart. Vielmehr könne der Mensch in Zukunft komplexere Software-Anforderungen umsetzen.

Folgen der Technologie im Blick haben

In der abschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden einige Punkte aus den Impulsvorträgen aufgegriffen. Einerseits beschäftige die Frage, wie generierte Inhalte zuverlässig als solche erkannt werden könnten. Volker Tresp verwies auf technische Lösungen, die weiter zu erforschen seien. Ob sich ChatGPT auch von kleinen und mittleren Unternehmen wertschöpfend einsetzen ließe, bejahte Johannes Hoffart. Auch der Bedarf an Technikfolgenabschätzung wurde angesprochen. Hier machte Ute Schmid deutlich, dass es zentral sei, die Menschen im Umgang mit Technologien zu fördern, um entsprechende Kompetenzen zu entwickeln. Moderiert wurde die Veranstaltung von Birgit Obermeier, stellvertretende Leiterin der Geschäftsstelle der Plattform Lernende Systeme.

Mehr Expertise ihrer Mitglieder zu ChatGPT bietet die Plattform Lernende Systeme in ihrem Format KI-Perspektiven.

Weitere Informationen:

Linda Treugut / Birgit Obermeier
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